Die Rettungsaktionen der Staaten und der Vertrauensverlust an den Märkten zeigen, wie krisenanfällig das Bankensystem nach wie vor ist. Doch wie machen wir unsere Banken sicher?
- Weltweit versuchen Aufseher und Politiker die Ängste vor einer neuen Bankenkrise zu dämpfen. Doch die Pleite der Silicon Valley Bank und die Notfusion von UBS und Credit Suisse waren noch nicht das Ende.
- Auch nach den Erfahrungen von 2008 ist es nicht gelungen, die Banken so zu regulieren, dass nicht immer wieder Risiken von der Branche ausgehen.
- Dabei liegen Ideen für wirksame Reformen längst vor. Die Banken brauchen nun nicht weniger sondern mehr Regulierung.
Manchmal wohnt dem Zufall etwas Schicksalhaftes inne. Ausgerechnet am Montag vergangener Woche, dem Tag nach der dramatischen Rettung der Credit Suisse, war Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) mit Topmanagern deutscher Finanzinstitute verabredet. Der sogenannte „CEO roundtable“ war seit Monaten geplant. Doch nun kam im Ministerium die Sorge auf, das Treffen könne als eilig einberufene Krisenrunde gedeutet werden. Was also tun? Absagen könnte womöglich für noch mehr Aufsehen sorgen. Man entschied sich dagegen.
Und so saß Lindner am Montag, 20. März, im „Matthias-Erzberger-Saal“ seines Ministeriums zusammen mit Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank, Manfred Knof, Vorstandsvorsitzender der Commerzbank, Theodor Weimer von der Deutschen Börse und einer Reihe weiterer Manager.
Auch wenn Nervosität an den Märkten selbstverständlich Thema war, galt, was immer gilt in solchen nervösen Extremsituationen, wo die Psychologie schnell zum entscheidenden Faktor werden kann: Ruhe bewahren, nichts anmerken lassen. Und so diskutierte die Runde die meiste Zeit wie geplant über Digitalisierung und Nachhaltigkeit in der Finanzbranche.
Zwei Tage später Frankfurt am Main. Auf dem „Derivates Forum“ der Deutschen Börse, wo sonst über Spezialthemen wie die Abwicklung von Termingeschäften debattiert wird, wollen die 750 Teilnehmer im Kongresszentrum nur eines wissen: Wie Finanzstaatssekretär Florian Toncar Bankenkrisen in den USA und der Schweiz bewertet und welche Konsequenzen diese nach sich ziehen. „Wir müssen wachsam sein, aber nicht verängstigt“, sagt Toncar. Die Schweiz habe bei der Rettung der Credit Suisse „einen guten Job gemacht“.
Nun müsse man die Lage in Ruhe analysieren und dann über mögliche Schlussfolgerungen debattieren. Großen Änderungsbedarf sieht Toncar aber nicht. In der EU habe es schließlich – anders als in den USA unter dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump – keine Deregulierung des Finanzsektors gegeben, sagt der FDP-Politiker.
Bankenkrise: Keine Normalität mehr in der Bankenwelt
Beschwichtigen, Runterspielen, Unterschiede betonen – das ist die Antwort der politisch Verantwortlichen auf die Bankenkrise, die in den vergangenen zwei Wochen wie ein Orkan über die globalen Finanzmärkte fegte. Doch ein Problem verschwindet nicht dadurch, dass man es ignoriert. Was sich allein am Freitag erneut zeigte, als die Aktien europäischer Banken zweitweise zweistellig abstürzten – allen voran die Titel der Deutschen Bank.
Und so kann auch die betonte Gelassenheit von Politik und Regulierern nicht darüber hinwegtäuschen: Normal ist in der Bankenwelt nichts mehr – seitdem die Silicon Valley Bank, ein eher kleines Spezialinstitut aus Kalifornien, in Not geriet und US-Notenbank und US-Regierung sich genötigt sahen, für deren Einlagen zu garantieren und ein großzügiges Notprogramm zur Sicherung der Bankenliquidität aufzulegen.
Normal ist nichts mehr, seitdem sich die Schweizer Behörden entschieden, die Credit Suisse, eine der 30 systemrelevanten und entsprechend eng beaufsichtigten Großbanken weltweit, mit der UBS zwangszufusionieren – natürlich unter Einsatz gigantischer staatlicher Garantien. Ergebnis der Notoperation: eine Bank, deren Bilanzsumme mehr als doppelt so groß ist wie die Wirtschaftsleistung der Schweiz, eine Bank, die nicht nur too big to fail, sondern auch too big to bail ist.
Soll heißen: nicht nur zu groß also, als dass man sie fallen lassen könnte, sondern auch zu groß, als dass der Staat sie retten könnte. Dass die Schweizer Krisenmanager bei ihrer Rettungsaktion dann auch noch die Haftungsreihenfolge tauschten und Aktionäre gegenüber Anleihegläubigern bevorzugten, trug nicht unbedingt zur Vertrauensbildung bei.
Credit Suisse: Beerdigung innerhalb weniger Stunden
Die 167 Jahre alte Credit Suisse wurde innerhalb weniger Stunden beerdigt – und die globale Finanzwelt blickt ebenso erstaunt wie fassungslos auf die Entwicklungen in der kleinen Schweiz, aber auch in den USA.