Nur eine internationale Kooperation kann das Klimaproblem lösen. Das zu ignorieren ist naiv und gefährlich. Ein Gastbeitrag.
Hans-Werner Sinn hat in der F.A.Z. eine durchaus scharfe Kritik an der deutschen Klimapolitik veröffentlicht, die vor allem den deutschen Alleingang als falsch und kontraproduktiv geißelt. Der Energieökonom Lion Hirth unterzieht diese Kritik, ebenfalls in der F.A.Z., einem „Realitätscheck“, der zum Ergebnis hat, Sinns Analyse sei falsch und die Klimapolitik Deutschlands richtig. Er gelangt zu diesem Urteil allerdings nicht, indem er Fakten anführt, die Sinn widersprechen, er stellt ihm lediglich Behauptungen entgegen. Zeit, sich die Fakten einmal anzusehen.
Beginnen wir mit der Kontroverse um den Alleingang. Hirth bezeichnet die Forderung Sinns nach internationalen Abkommen als „naiv“, weil die sowieso nicht zustande kommen und weil sich auch ohne ein solches Abkommen schon sehr viel tue auf der Welt. Um zu überprüfen, ob dem wirklich so ist, kann man sich die globalen CO2-Emissionen ansehen, die in der Grafik abgetragen sind.
Die obere Linie zeigt die globalen Emissionen, die untere die Emissionsmengen, die sich ergeben, wenn die Deutschlands abgezogen werden. Die Grafik zeigt, dass erstens die globalen Emissionen ungebrochen steigen, zweitens eine rein nationale Klimaneutralität Deutschlands darauf überhaupt keinen Einfluss hätte und drittens, dass der einzige Rückgang der Emissionen durch die Corona-Pandemie verursacht wurde. Die Pandemie hat eine (wenn auch unfreiwillige) global koordinierte Reduktion des Einsatzes fossiler Brennstoffe bewirkt, und nur eine solche hilft gegen den Anstieg der CO2-Emissionen.
Wir haben keine ausreichenden Großspeicher
Hirth verweist als Beleg dafür, dass sich auch ohne internationale Koordination so viel tue, darauf, dass China inzwischen um ein Vielfaches mehr Solarinstallationen vornimmt als Deutschland. Er vergisst aber die Größe des Landes zu berücksichtigen, die Tatsache zu erwähnen, dass der Anteil erneuerbarer Energien in China immer noch unter einem Prozent liegt, und auch darauf hinzuweisen, dass die chinesische Regierung nach wie vor daran festhält, frühestens 2030 mit einer Reduktion der CO2-Emissionen zu beginnen.
Die Daten zeigen sehr deutlich, dass nationale Alleingänge keinen Einfluss auf die zukünftigen Temperaturen haben können und dass nur eine internationale Kooperation das Klimaproblem lösen kann. Das zu ignorieren ist naiv und gefährlich. Dabei sind internationale Kooperationen möglich. Die EU beweist, dass ein Emissionshandel funktionieren kann und zu massiven CO2-Senkungen bei vergleichsweise geringen Kosten fähig ist.
Dieses Modell zu erweitern, indem neue Länder aufgenommen werden, wäre einen Versuch wert. Leider reist Minister Habeck nicht durch die Welt, um dafür zu werben, sondern konzentriert sich ausschließlich darauf, im Inland kostspielige Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren. Übrigens auch solche, die gar keine CO2-Einsparung bewirken, weil die Interaktion mit dem Emissionshandel übersehen wird (wie bei der Stahlproduktion mit Wasserstoff).
Auch Sinns Aussage, dass ein allein auf erneuerbaren Energien basiertes Energiesystem nicht funktionieren kann, weil die Energieeinspeisung zu volatil ist, lässt Hirth nicht gelten.
Er verweist auf die vielen Studien, die zeigen, dass diese Behauptung falsch sei, und die beweisen, dass die Erneuerbaren sehr wohl in der Lage sind, allein unseren Energiebedarf zu decken. Leider vergisst er die Voraussetzungen zu nennen, die in diesen Studien gemacht werden. Die wichtigste ist, dass ausreichend Speicher für elektrische Energie zur Verfügung stehen. Das ist nicht der Fall, auch wenn einzelne Aktivisten das Gegenteil behaupten.
Mit eingesetzten Ressourcen ein Maximum an CO2-Einsparung erreichen
Wir haben keine Großspeicher, die in der Lage sind, Dunkelflauten auszugleichen. Und dass wir sie nicht haben, ist kein politisches Versäumnis, sondern schlicht darauf zurückzuführen, dass Strom, der aus solchen Speichern kommen würde, viel zu teuer wäre. Das liegt vor allem an den hohen Energieverlusten, die bei der Umwandlung von Strom in speicherbaren Wasserstoff entstehen und denen, die bei der Rückumwandlung in Strom anfallen.
Deutschland hat schon die weltweit höchsten Strompreise. Speicherung würde den Preis noch einmal stark in die Höhe treiben. Die Studien, die Hirth meint, kommen aber mit der Speicherung von Strom nicht aus. Sie brauchen auch noch die Annahme, dass die Stromverbraucher „optimal“ mitspielen und ihr Verhalten an die Verfügbarkeit von Wind- und Solarstrom anpassen. Dass damit massive Wohlfahrtseffekte verbunden wären, berücksichtigen dieses Studien natürlich nicht.
Auch Hirths Behauptung, dass Wärmepumpen selbst dann noch eine bessere CO2-Bilanz haben als eine Gasheizung, wenn der gesamte Strom aus Kohlekraftwerken stammt, stimmt nur dann, wenn man die geringen Wirkungsgrade von Kohlekraftwerken außer Acht lässt. Die sorgen dafür, dass sich die CO2-Bilanz von Wärmepumpen, die fossilen Strom benutzen, im Vergleich zu Gasheizungen, bei denen der Umweg über die Stromerzeugung entfällt, deutlich verschlechtern.
Aber nicht nur das. Hirth verzichtet vollständig darauf, die Kosten, die bei der Vermeidung von CO2 entstehen, zu berücksichtigen. Damit befindet er sich zwar in guter Gesellschaft, aber eine rationale Klimapolitik verlangt nun einmal, dass wir CO2-Vermeidung so betreiben, dass wir mit den eingesetzten Ressourcen ein Maximum an CO2-Einsparung erreichen. Das geht nur, wenn wir dort einsparen, wo die Vermeidungskosten minimal sind – und das sind sie ganz sicher nicht bei Wärmepumpen und E-Autos.
Natürlich darf auch bei Hirth das momentan beliebte Bashing der deutschen Automobilindustrie nicht fehlen. Wie auch schon Monika Schnitzer, die Vorsitzende des Sachverständigenrates, macht auch Hirth den Niedergang dieser Industrie am Versagen ihrer Manager fest, die nicht rechtzeitig auf Elektromobilität gesetzt hätten.
Letztlich profitiert auch China
Aber auch an dieser Stelle sollte man ein paar Fakten berücksichtigen. Die Bedingungen dafür, Elektroautos zu verkaufen, sind in Deutschland gänzlich anders als etwa in China. Das beginnt damit, dass der Strompreis, den die Fahrer von E-Autos zahlen müssen, bei uns um den Faktor 5 höher ist als in China. Dafür ist die Ladeinfrastruktur in Deutschland deutlich schlechter und die Produktionskosten erheblich höher (Löhne und Energiekosten).
Elektroautos sind deshalb bei uns nur dann zu verkaufen, wenn sie vom Staat massiv subventioniert werden. Bei den Verbrennern konnten die Kostennachteile der deutschen Automobilindustrie durch den technischen Vorsprung deutscher Hersteller ausgeglichen werden. Das gelingt bei den E-Autos nicht mehr, weil die Technik viel leichter beherrschbar ist.
Die deutsche Politik hätte diesen Vorsprung retten können, wenn sie statt auf E-Autos auf Treibstoffe gesetzt hätte, die aus Wasserstoffderivaten gewonnen werden und die im Sonnengürtel der Erde zu wettbewerbsfähigen Preisen aus erneuerbaren Energien herstellbar sind. Das hätte auch dem Klima gedient, denn diese Treibstoffe sind schon jetzt komplett CO2-frei, was E-Autos erst dann sein werden, wenn der gesamte Strom CO2-frei produziert wird – also in ferner Zukunft.
Hirth plädiert dafür, die gegenwärtige Politik fortzusetzen. Trotz ihrer offensichtlichen Erfolglosigkeit und trotz der extremen Belastung, die sie für die deutsche Bevölkerung bedeutet. Eine an den Fakten orientierte Betrachtung muss zu einem anderen Schluss kommen. Wenn eine internationale Kooperation nicht gelingt, dann wird es zum Klimawandel kommen, und dann sollten wir unsere Ressourcen eher dafür einsetzen, uns an die veränderten Bedingungen anzupassen, anstatt völlig sinnlose Alleingänge zu unternehmen.
Aber noch ist es nicht so weit. Noch wäre Zeit, auf Kooperation hinzuarbeiten. So aussichtslos ist das nicht, denn letztlich profitieren alle Länder, auch China und Indien, von einem globalen Klimaschutz, der sich kosteneffizienter Instrumente bedient und damit die Lasten der Klimapolitik erträglich macht. Die Industrieländer werden einen großen Teil dieser Lasten tragen müssen. Das werden wir nicht schaffen, wenn wir unsere Ressourcen weiter in nutzlosem nationalen Klimaaktivismus vergeuden.
Joachim Weimann ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
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