„Wie kann Christine Lagarde nur so einen Unsinn reden!“ Das sagt der ehemalige Chef des ifo Instituts Hans-Werner Sinn, der auch heute noch ein gefragter Redner und Gesprächspartner ist. Die Rede ist zwar schon vier Wochen alt, aber der gesamte Vortrag bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist bemerkenswert. Ausführlich bespricht er hier das Thema Inflation unter der Headline „Die neue Inflation“. Und EZB-Chefin Christine Lagarde wird von ihm nicht mit Samthandschuhen angefasst. Sie redet Unsinn, so klar spricht Hans-Werner Sinn es aus. Die EZB müsse auf die steigenden Preise reagieren, aber sie wolle es nicht.
Christine Lagarde hält den Leitzins bei Null – andere Länder tun etwas
Es geht um die Eindämmung der immer stärker ansteigenden Inflation in der Eurozone. Aber die EZB – was wir auf FMW oft thematisieren – klebt weiterhin tiefenentspannt an ihrem Leitzins von 0 Prozent. Andere Länder wie Polen oder Tschechien, die nicht in der Eurozone sind und damit die direkte Kontrolle über ihren Leitzins und ihre eigene Währung haben, reagieren aber seit Wochen, und erhöhen ihren Leitzins deutlich zur Bekämpfung der Inflation. Auch die US-Notenbank Federal Reserve treibt ihre Zinswende derzeit aktiv voran. Christine Lagarde aber, so kann man es nur vermuten, versteht entweder einige Dinge nicht, oder will aus politischen Gründen die Zinsen im Keller halten, um den Südländer der Eurozone auch weiterhin den Zugang zu billigem Geld zu ermöglichen.
Warum sich Hans-Werner Sinn zurecht so sehr über EZB-Chefin Christine Lagarde aufregt
Hans-Werner Sinn erwähnt eine Aussage von Christine Lagarde, die eines der Argumente der EZB fürs Nichtstun sei, also dem Festhalten am Leitzins bei 0 Prozent, während die Inflation in der Eurozone nach oben wegrennt auf aktuell 7,5 Prozent. Er erwähnt die Aussage von Christine Lagarde aus Februar, dass der Anstieg der Energiepreise – der ja einer der Treiber der Inflation ist – von der EZB nicht bekämpft werden könne. „Würde die EZB Zinsen anheben und Anleihekäufe zurückfahren, würde sich das auf die Energiepreise auswirken. Ich glaube nicht“, so sagte es Christine Lagarde. Schauen Sie dazu bitte im Video ab Stunde 1 und 21 Minuten.
Dabei sei der Effekt höherer Zinsen auf die Energiepreise „unmittelbar, hart und sofort vorhanden“, so sagt es Hans-Werner Sinn eindringlich. Man merkt regelrecht, wie sehr er sich über Christine Lagarde aufregt. Denn wenn die EZB die Zinsen erhöht, werde der Euro aufgewertet, und die Energiepreise fallen sofort, so seine Aussage. Zur Erläuterung: Durch die Euro-Aufwertung werden für europäische Importeure von Öl die Einkäufe in Dollar günstiger, deswegen können – wenn man die Preisersparnisse denn weitergibt – die Spritpreise fallen. Anmerkung unsererseits: Wegen der Zinswende in den USA und der ausbleibenden Zinswende in der Eurozone wertet der Euro ab, die Inflation nimmt auch deswegen zu – im Chart unter dem Video sieht man den Euro-Kursverlauf gegen den US-Dollar seit August 2021.
„Wie kann die Präsidentin der EZB so einen Unsinn von sich geben“, so Hans-Werner Sinn im Wortlaut. Denn es sei doch offenkundig, dass höhere Zinsen unmittelbar einen Effekt hätten auf die Energiepreise über die Wechselkurse von Euro und Dollar. Er verstehe nicht, wie so eine Aussage von ihr durchgehen könne. Die Öffentlichkeit nehme das so hin, als sei das normal und richtig.
Gründe für die Inflation in der Eurozone
Hans-Werner Sinn verweist darauf, dass auch seiner Meinung nach Christine Lagarde und EZB die Zinsen für Staatspapiere nicht deutlich steigen lassen wollen, damit die Südländer der Eurozone weiter an billiges Geld kommen könnten. Abgesehen davon: Der gesamte Vortrag (beginnt ab Minute 10 im Video) ist äußerst sehenswert! Denn Hans-Werner Sinn geht auf zahlreiche Einzelursachen für die Inflation ein. Nicht nur Corona und Ukraine-Krieg werden genannt, sondern auch die Energiepreise, den Bauboom sowie die exzessive Staatsverschuldung in der Eurozone. Auch wird von ihm die Verantwortung der EZB für die hohe Inflation besprochen.
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